Da in dem neuen Gebäude bereits eine strukturierte und moderne Netzwerkverkabelung vorliegt, ist es eine naheliegende Idee, jeden Arbeitsplatz mit einem SIP-Telefon auszustatten. So müssen nicht extra Kabel für das Telefonnetz verlegt werden. Die Faxe und schnurlosen Telefone werden über SIP-to-Analog-Adapter angeschlossen. Der Asterisk-Server wird in einem ordentlich ausgestatteten Serverraum mit entsprechender Klimatisierung untergebracht, mit Sicherheitseinrichtungen und Zugangskonzept. Durch das Zugangskonzept und die Sicherheitseinrichtungen haben auch nur diejenigen Personen Zugriff auf die Anlage, die dazu berechtigt sind.[11]
Die wichtigste Regel, der man sich stets bewusst sein sollte, ist, dass Telefonie ein synchrones Medium ist, d. h., die Informationen müssen für den Sender und den Empfänger praktisch "gleichzeitig" vorliegen, und dies über die Dauer der gesamten Kommunikation. Während wir in einem Telefongespräch Verzögerungen bis ca. 300 ms noch einigermaßen tolerieren, werden Pausen von einer halben Sekunde und mehr als sehr störend empfunden und kaum akzeptiert. Bei der IP-Telefonie wird ein synchrones Kommunikationsmittel über eine asynchrone Technik transportiert. Die Funktionsweise des TCP/IP-Protokolls des Internets wurde auf Störfestigkeit und Robustheit hin ausgelegt und nicht auf einen Datentransport in Echtzeit. Für den Transport von E-Mails zum Beispiel ist es völlig unerheblich, ob im Datentransport mehrere Unterbrechungen von einigen Sekunden stattfinden. Dass es überhaupt möglich ist, Telefonie via IP unter diesen Bedingungen erfolgreich umzusetzen, liegt an der Leistungsfähigkeit der heutigen Netzwerktechnologie. Dadurch, dass die zu übertragene Datenmenge im Verhältnis zur vorhandenen Übertragungskapazität deutlich geringer ist, können die Anforderungen quasi in Echtzeit umgesetzt werden. Bei den meisten Netzwerken liegen jedoch häufig unterschiedliche Lastzustände vor, d. h., die zur Verfügung stehende Bandbreite wird zu unterschiedlichen Zeiten mal stärker und mal weniger stark ausgenutzt. In fast allen Unternehmen kann man beobachten, wie die Auslastung des Netzwerks dem Rhythmus des Arbeitstages folgt. Zwischen 8 Uhr morgens und 18 Uhr abends steigt die Auslastung in der Regel, da die Mitarbeiter zum Beispiel E-Mails schreiben, im Web surfen, Daten herunterladen etc. Zu den Zeiten, in denen die Mitarbeiter intensiv arbeiten, telefonieren sie aber auch, d. h., unsere IP-Telefone konkurrieren mit dem restlichen Netzwerkverkehr um die zur Verfügung stehende Bandbreite. Und während es für die Zustellung einer E-Mail kein größeres Problem darstellt, wenn die Verbindungsgeschwindigkeit sinkt – es dauert halt etwas länger –, kann es für unsere IP-Telefone kritisch werden, wenn die Bandbreite unter den Mindestbedarf fällt. Die Sprachqualität leidet dann deutlich, es kommt zu Aussetzern und Sprachfetzen. Wie störend das ist, kennt sicherlich jeder von Telefonaten mit dem Mobiltelefon bei einer schlechten Verbindung. Um mit den unterschiedlichen Anforderungen der jeweiligen Verbindungsarten besser umgehen zu können, verfügen professionelle Netzwerkrouter über die Möglichkeit, Netzwerkverkehr je nach Typ zu priorisieren.[12]
Diese Maßnahme ist zwar geeignet, um den Netzwerkverkehr nach innen und außerhalb des eigenen Netzwerkanschlusses zum Internet-Provider entsprechend zu regeln, jedoch hat dies keinen Einfluss auf die Lastsituation im Netz des Providers. Erst dann, wenn der Provider entsprechende Garantien für Übertragungskapazitäten für bestimmte Verbindungstypen[13] anbietet, kann die Kette lückenlos geschlossen werden. Falls Sie also mehrere Standorte in Ihrem Unternehmen via IP-Telefonie verbinden möchten, sollten Sie dies in Ihrer Planung berücksichtigen und mit Ihrem Provider darüber sprechen. Die Telefonanlage der Apfelmus GmbH bedient 78 Endgeräte. Das heißt, dass im schlimmsten Fall 39 zeitgleiche interne Verbindungen zustande kommen können, wenn die Mitarbeiter sich nur intern anrufen. Abhängig vom verwendeten Codec für die Kodierung des Audiosignals ergibt sich ein Netzwerkverkehr von maximal 6.500 kbit/s[14], was für die heute gängigen 100 Mbps[15] an Netzwerkbandbreite in strukturierten Inhouse-Verkabelungen keine Herausforderung darstellt. Dennoch sollten Sie berücksichtigen, dass anderer Netzwerkverkehr ebenfalls übertragen wird und die verfügbare Bandbreite rasch an Grenzen stoßen kann. Wie kommt der Wert von 6.500 kbit/s zustande? Für die Inhouse-Verbindungen greifen wir in unserem Beispiel auf den a-law[16]-Codec zurück, der auch im ISDN-Netz zum Einsatz kommt. Er bietet eine sehr gute Sprachqualität, benötigt dafür aber auch 64 kbit/s Bandbreite. Jede Verbindung besteht aus einem eingehenden und einem ausgehenden Kanal mit jeweils 64 kbit/s. Die 39 Verbindungen summieren sich auf: 2*39*64 kbit/s = 4.992 kbit/s. Zum Bandbreitenbedarf des Codecs kommt noch ein Overhead durch das TCP/IP-Protokoll hinzu, sodass aus den 64 kbit/s ca. 80 kbit/s an Netzwerkverkehr werden. Legt man der Rechnung nun die 80 kbit/s zugrunde, ergibt das 6.280 kbit/s, aufgerundet erhält man die genannten 6.500 kbit/s. Dabei sind die 6.500 kbit/s natürlich nur ein Worst-Case-Szenario. Trotzdem sollte man immer für genau dieses Szenario gerüstet sein![17]
Tipp | |
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Wer sich am Anfang einer solchen Installation nicht sicher ist, ob die Netzwerkbandbreite ausreicht, sollte lieber einen verlustbehafteteren Codec wie GSM benutzen. Der benötigt mit 13-15 kbps nur ein Fünftel der Bandbreite des a-law-Codecs und hat eine akzeptable Sprachqualität. Später kann man dann einzelne Bereiche Stück für Stück auf bessere Codecs umstellen und dabei beobachten, ob es Netzwerkprobleme gibt. Sie sollten dabei jedoch die Auslastung der CPU im Auge behalten, da die komprimierenden Codecs deutlich mehr Rechenleistung in Anspruch nehmen. |
Die Anforderungen, die an das Netzwerk gestellt werden, treffen im Prinzip auch auf die verwendete Hardware des Rechners zu. Die Notwendigkeit der synchronen Datenübertragung erfordert auch eine entsprechend zeitnahe Abarbeitung der notwendigen Vorgänge durch den verwendeten Rechner. Hierbei gibt die Kodierung und Dekodierung des Sprachsignals den Leistungsbedarf vor – insbesondere dann, wenn die beteiligten Endgeräte unterschiedliche Codecs verwenden und Asterisk die ankommenden und ausgehenden Datenströme umkodieren muss. Aufgrund der großen Bandbreite an verfügbarer Hardware und dem jeweils spezifischen Leistungsvermögen gibt es keine einfache Regel für die Bemessung. Als eine erste Orientierung soll folgende Staffelung dienen:
CPU | Anzahl der Verbindungen | Anzahl der Nebenstellen |
1,0 GHz | 15 | 40 |
1,5 GHz | 40 | 100 |
2,0 GHz | 80 | 200 |
Mit CPU ist an dieser Stelle eine handelsübliche CPU eines IBM-PC kompatiblen Rechners (z. B. von Intel, AMD) gemeint. Bei der Berechnung der möglichen Anzahl von Nebenstellen gehen wir davon aus, dass nicht alle Nutzer zur gleichen Zeit telefonieren, sondern im Mittel ein Drittel bis die Hälfte. Bitte betrachten Sie die angegebenen Werte lediglich als eine grobe Orientierung, die zudem eher konservativ geschätzt wurde, d.h. mit deutlicher Reserve. Fallen wenige Umkodierungen, Konferenzschaltungen und Echo-Unterdrückungen an, dann können deutlich mehr gleichzeitige Verbindungen bewältigt werden. Die genaue Zahl kann oftmals nur durch sinnvolles Ausprobieren ermittelt werden.
Tipp | |
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Unter Linux gibt es mit top ein einfaches Tool, um im laufenden Betrieb zu sehen, wie hoch die Last auf dem Rechner ist. Allerdings gibt Ihnen das natürlich immer nur den aktuellen Wert und reicht nicht für eine Langzeitanalyse. Dazu können Sie leistungsstarke Tools wie Nagios http://www.nagios.org verwenden. Wer sich mit "Bordmitteln" weiterhelfen will, kann auch einen Cronjob (siehe man crontab) mit folgendem Befehl aufsetzen: w | head -n 1 | logger Damit kann man sich (wenn es entsprechend in
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In unserem Beispiel haben wir 78 Benutzer, bei denen im Mittel nicht mehr als 40 gleichzeitige Verbindungen vorliegen sollten, somit wäre ein Rechner mit einer halbwegs aktuellen CPU[19]
mit 1,5 GHz Taktfrequenz geeignet. Je aktueller CPU und Gesamtsystem sind, desto höher ist in der Regel die Leistung, und es können bei gleicher Taktfrequenz deutlich mehr Gespräche gleichzeitig abgearbeitet werden. Ein Dual-CPU-System verbessert hier den Wert ebenfalls, da die Rechenleistung für notwendige Aufgaben des Betriebssystems besser verteilt wird. Für die Voicemailboxen benötigt man ca. 0,1 MB an Speicherplatz pro aufgezeichneter Minute.[20] Stattet man jeden Nutzer mit 30 Minuten aus, wären für unser Beispiel ca. 2 GByte an freiem Festplattenspeicher ausreichend bemessen. Da die aufgezeichneten Daten denselben Stellenwert wie Geschäftsdaten haben, sollten sie entsprechend gegen Ausfall und Verlust abgesichert werden. Ein RAID-System[21] mit zwei Festplatten im Mirroring-Modus (Level 1) sollte hierbei ausreichend Absicherung gewährleisten. Für unser Beispiel würden zwei 18-GB-SCSI-Festplatten im RAID-1-Verbund ausreichend sein. Die Anforderungen an den verfügbaren Arbeitsspeicher (RAM) sind sehr moderat. Mit 512 MB ist das System ausreichend bemessen, und ab 1 GByte können selbst große Gruppen problemlos versorgt werden. Alle zusätzlichen Maßnahmen, wie die Auswahl professioneller Hardware für den Einsatz in Servern, die Ausstattung mit redundanten Netzteilen und mit hochwertigen Komponenten erhöhen die Ausfallsicherheit und Betriebstreue des Systems und damit später die Akzeptanz durch die Nutzer – die es eher gelassen nehmen, wenn der E-Mail-Server mal 10 Minuten offline ist, aber das Telefon muss immer funktionieren.
[11] Noch vor 10 Jahren war es bei vielen Telefonanlagenherstellern üblich, sich „Hintertüren“ in große Anlagen einzubauen. So konnte der Hersteller ohne großen Aufwand bei Problemen schnell helfen, indem er sich über einen offenen Port von außen in die Anlage einwählte. Böse Geister nutzten diese Möglichkeit allerdings auch, um auf Kosten der Eigentümer (meistens großer Behörden, in denen die Übersicht fehlte) Fern- oder Auslandsgespräche zu führen.
[12] TOS – Type Of Service
[13] QOS – Quality Of Service
[14] kbps = kilobits per second
[15] Mbps = Megabits per second, also 1.024 kbps
[16] Eigentlich G.711, der in zwei Varianten vorkommt: als a-law und als u-law.
[17] Auf der Webseite http://www.asteriskguru.com/tools/bandwidth_calculator.php oder auf http://www.bandcalc.com/ finden Sie ein einfaches Online-Tool zur Bandbreitenberechnung verschiedener Codecs.
[18] Es sollte Ihnen bewusst sein, dass dieser Cronjob wirklich nur ein sehr einfaches Mittel zur Analyse ist.
[19] Zum Beispiel Pentium 4, AMD Athlon
[20] Dies gilt für das Format wav49 oder GSM. Wenn Sie hingegen das unkomprimierte Format WAV verwenden, steigt der Platzbedarf um ein Vielfaches.
[21] Bitte beachten Sie, dass ein Software-RAID die CPU entsprechend zusätzlich belastet, was in unserem Fall eher unerwünscht ist, deshalb ist eine vernünftige Lösung in Hardware angeraten.
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