10.1. Einleitung
ISDN ist in Deutschland die vorherrschende Technik, um Sprachdienste
zur Verfügung zu stellen. Nur noch in wenigen Privathaushalten gibt es
analoge Telefonanschlüsse. Im geschäftlichen Bereich ist ISDN der
De-facto-Standard. Die Verfügbarkeit von schnellen und günstigen
Internetanschlüssen und damit die Nutzung von Sprachdiensten via
TCP/IP-Netzwerke (VoIP) wird ISDN wahrscheinlich mittel- bis langfristig
ablösen (mit diesem Buch tragen wir auch unmittelbar dazu bei), aber bis
dahin ist noch etwas Zeit.
Erwarten Sie an dieser Stelle keine grundlegende Einführung in das
Thema ISDN und in die nähere Funktionsweise. ISDN wird in diesem Kapitel
nur so weit besprochen, wie es für die Benutzung mit Asterisk relevant
ist.
10.1.1. Minimalgrundlagen von ISDN
Ein ISDN-Anschluss stellt sogenannte B- und D-Kanäle zur
Verfügung. Ein einzelner B-Kanal ist (vereinfacht gesagt) vergleichbar
mit einer analogen Telefonleitung: Es kann genau ein Gespräch darüber
geführt werden. Im Gegensatz zur analogen Telefonie können aber pro
Leitungspaar zwei B-Kanäle gleichzeitig übertragen werden (also zwei
Gespräche). So werden bestehende Ressourcen besser genutzt. Außerdem
werden die Daten digital und nicht analog übertragen. Dadurch ist die
subjektive Sprachqualität viel besser.
Es gibt folgende Unterschiede zwischen einem B- und einem
D-Kanal:
- Der B-Kanal (B für Bearer = Träger) ist in unserem Fall ein Sprachkanal. Die Datenübertragungsmöglichkeit (64 kbit/s) ist für uns ohne Belang.
- Der D-Kanal ist ein reiner Datenkanal (16 kbit/s). Allerdings kann darauf vom Endbenutzer nicht direkt zugriffen werden.[53] Vereinfacht gesagt, benutzen ISDN-Telefone, ISDN-Telefonanlagen oder auch ISDN-Karten den D-Kanal, um sich mit der Vermittlungsstelle zu unterhalten.
Wir gehen in diesem Kapitel von einem funktionierenden
ISDN-Anschluss in den Varianten Basis und Multiplex aus.
Der normale Basis-Anschluss wird im Telefonie-Umfeld häufig als
BRI (für "Basic Rate ISDN") genannt. Dieser Anschluss genügt für fast
alle privaten Haushalte und auch für die meisten mittelständischen
Betriebe. Er bietet 2 B-Kanäle und einen D-Kanal. Um es aber etwas
komplizierter zu machen, gibt es diesen Anschluss in zwei
verschiedenen Varianten:
- Mehrgeräteanschluss (PtMP, Point-to-Multipoint)An ihm können bis zu 8 ISDN-Endgeräte angeschlossen werden, die dann über eigene MSNs (Telefonnummern) anwählbar sind. Mehrere Endgeräte können auf die gleichen MSN konfiguriert sein.Der Mehrgeräteanschluss ist das, was der normale Heimanwender als ISDN kennt.
- Anlagenanschluss (PtP, Point-to-Point)An diesen kann nur eine ISDN-Telefonanlage angeschlossen werden (bei uns eine ISDN-Karte, die im Asterisk-Server läuft). Wer mehr als zwei B-Kanäle benötigt, kann mehrere Anlagenanschlüsse mit der gleichen Rufnummer auf eine oder mehrere ISDN-Karten anschließen.
Der Primär-Multiplex-Anschluss kann als großer Bruder des
Anlagenanschlusses bezeichnet werden. Auch er akzeptiert nur ein
ISDN-Endgerät (dies ist auch hier fast immer eine Telefonanlage) und
bietet in Europa 30 B-Kanäle und einen D-Kanal (diesmal allerdings mit
64 kbps). Er wird entweder S2M oder E1 genannt. In den USA wird er
übrigens T1 genannt und bietet nur 24 B-Kanäle (und einen
D-Kanal).
Im Telefonie-Umfeld wird vom PMX auch häufig als PRI (für
"Primary Rate Interface") gesprochen.
[53] In den 90er Jahren gab es tatsächlich ein paar Projekte, die sich mit der prinzipiell kostenlosen Datenübertragung über den D-Kanal beschäftigt haben. Allerdings ist das durch günstige und deutlich breitbandigere Internetverbindungen sehr schnell unattraktiv geworden.