Die Frage, welche ISDN-Karte zu empfehlen ist, ist schwer und in
einem gedruckten Buch eigentlich gar nicht zu beantworten. Dafür sind
folgende Gründe verantwortlich:
- Ein Buchautor kann mit der Antwort auf eine solche Frage nur verlieren. Gibt man keine Antwort, dann heißt es "Wofür habe ich mir denn dann das Buch gekauft?", und wenn man eine bestimmte Karte herausstellt, dann heißt es "Schleichwerbung!".
- Eine Karte, die heute gut ist, kann eventuell morgen im Vergleich zu einer neuen Karten nur noch als Durchschnitt angesehen werden.
- Die Software, speziell die Treiber, werden kontinuierlich verbessert, und was heute zutrifft, kann für einen Leser in einem Jahr vielleicht nicht mehr nachvollziehbar sein.
- Der Support des Herstellers kann nicht endkundengerecht verglichen werden.
- Je nach Einsatzzweck ergeben sich unterschiedliche Anforderungen an die Produkte. Hier trennt eine Unterscheidung in gewerbliche und private Nutzung die Produkte in zwei Lager. Bei einer privaten Nutzung kann eine Anlage auch mal durch einen fehlerhaften Treiber für ein paar Stunden ausfallen. Dies ist im gewerblichen Einsatz nicht akzeptabel.
Der Betrieb einer oder mehrerer ISDN-Karten in einem Asterisk-Server
ist sehr einfach. Allerdings ist die Installation und Konfiguration leider
immer noch nicht trivial. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, ISDN-Karten
mit Asterisk "zum Laufen" zu bringen. Auf die einzelnen Varianten gehen
wir in diesem Kapitel in jeweils eigenen Bereichen ein.
Wichtig
Alle in diesem Kapitel beschriebenen Installationsmethoden
werden anhand eines Debian Linux-Systems beschrieben. Die jeweilige
Installation kann sich auf einem anderen Linux-System ganz anders
darstellen und auf so manchem BSD-System gar nicht funktionieren. Wir
empfehlen Ihnen dringend, die hier beschriebenen Wege 1:1 zu
übernehmen und deshalb auch ein Debian Linux einzusetzen.
10.2.1. Empfehlung für den Privathaushalt
Die meisten privaten Asterisk-Installationen sind nicht auf
optimale Sprachqualität und Verfügbarkeit angewiesen. Hier gilt in
erster Linie der Kaufpreis als Argument. Sollten Sie über die Karte
nicht faxen wollen und auch nur maximal 2 B-Kanäle benötigen, so können
Sie ruhig eine billige HFC-Karte kaufen. Diese Karten werden schon für
20 bis 30 Euro angeboten. Die Installation ist oft umständlich, und von
der Sprachqualität darf man keine Wunder erwarten. Aber wer mit diesen
Einschränkungen leben kann, der ist mit einem No-Name-Produkt gut
bedient.
10.2.2. Empfehlung für den geschäftlichen Einsatz
Wer mit Asterisk eine alte Telefonanlage ersetzen will, muss eine
mindestens gleich gute Qualität erzielen. Ansonsten gibt es Ärger mit
den Usern und mit den Kunden. Diese Qualität kann mit den günstigen
No-Name-HFC-Karten nicht realisiert werden.
Hardware-Echo-Cancelation
Auch wenn man es sich als Enduser wünschen würde, ist das
Echo-Problem noch lange nicht gelöst. Also braucht man für normale
Telefonate eine gute Echo-Cancelation, und bei Faxen soll diese
automatisch deaktiviert werden. Dies ist am besten durch eine
Onboard-Hardware-Echo-Cancelation-Einheit auf der ISDN-Karte zu
realisieren. Diese ist qualitativ besser als die nachgeschalteten
Software-Module und nimmt dem Telefonanlagenserver keine CPU-Zeit weg.
Da der entsprechende Baustein von den ISDN-Kartenherstellern extern
eingekauft wird, erhöht sich der Preis der Karte entsprechend.
Trotzdem sollten Sie alle ISDN-Karten, die von Ihnen aus gesehen mit
dem öffentlichen Netz kommunizieren, auf jeden Fall mit einer solchen
Hardware-Echo-Cancelation kaufen. Bei internen ISDN-Karten ist dies
nicht nötig, da Echo fast nur vom öffentlichen Netz aus kommt.
Ein qualitativer Unterschied bei der Hardware-Echo-Cancellation
liegt in der Tail-Length des eingesetzten Bausteins. Er bestimmt die
Länge des Referenzaudiostrangs. Vereinfacht kann man sagen: Je größer
die Tail-Length ist, desto besser ist die Echo-Cancelation. Allerdings
sind da die Unterschiede für die meisten Menschen nicht mehr
hörbar.
Interrupts und Load auf dem Server
In den ersten Jahren der Asterisk-Entwicklung gab es keine
günstige Hardware-Echo-Cancelation. Deshalb hat Mark Spencer (und
haben andere) diese in Software nachgebildet. Dazu musste er die ein-
und ausgehenden Audiosteams in Stücke von 1 ms Länge aufteilen. Aus
diesem Grund geben alle normalen ISDN-Karten für jeden B-Kanal pro 1
ms Audiostream einen Interrupt an den Server. Dieses historische
Konstrukt führt heute zu einigen Problemen. Hat man einen normalen
kleinen ISDN-Anschluss mit 2 B-Kanälen und eine aktuelle
Serverhardware, so wird man davon nichts mitbekommen. Baut man aber
ein Embedded-System mit nur wenig CPU-Power, dann kann es auch schon
bei 2 B-Kanälen zu Engpässen kommen. Das gleiche Problem tritt bei
großen Systemen mit mehreren Multiplexanschlüssen auf. Irgendwann
kommen einfach so viele Interrupts herein, dass auch die größte
aktuell kaufbare PC-Hardware in die Knie geht.
Falls Sie also entweder sehr kleine Embedded-Systeme oder sehr
große Server mit vielen B-Kanälen betreiben wollen, haben Sie nur
folgende Möglichkeiten:
- Überprüfen Sie, wie viel Last ein einzelnes System verkraftet, und clustern Sie dann mehrere Systeme parallel.
- Setzen Sie ein ISDN-to-SIP-Media-Gateway ein. Das sind Blackbox-Systeme, die auf der einen Seite mit dem ISDN-Netz und auf der anderen Seite per SIP mit Ihrem Asterisk-Server verbunden werden. Stellen Sie dabei aber sicher, dass in dieser Blackbox nicht auch ein Asterisk läuft und der Hersteller einfach nur hoch pokert.
- Kaufen Sie sich eine ISDN-Karte, die das Problem über einen speziellen Treiber löst. So hat z. B. Sangoma aus Kanada das Problem erkannt und liefert einen speziellen Asterisk-Treiber, der nicht pro B-Kanals alle 1 ms, sondern pro ISDN-Port (also 2 B-Kanäle bzw. 30 bei einem PRI) alle 10 ms einen Interrupt zum System gibt. So haben Sie keine Nachteile, kommen aber mit wesentlich kleinerer Server-Hardware aus oder können wesentlich mehr B-Kanäle auf gleicher Hardware zum Laufen bringen.
Interne analoge Faxgeräte
Sollten Sie extern über ISDN mit dem Festnetz verbunden sein und
intern noch ein analoges Fax betreiben, so bekommen Sie unweigerlich
ein Timing-Problem bei längeren Faxen. Der Grund liegt in der
unterschiedlichen Taktung der Audio-Kanäle. Die ISDN-Karte benutzt
dafür den Takt aus dem öffentlichen ISDN-Netz. Dieser ist
atomuhr-genau und sehr verlässlich. Die Karte mit den analogen Ports
benutzt für die Taktung eine eigene Takteinheit, für die meist sehr
günstige und entsprechend ungenaue Module verbaut werden. Unabhängig
von der Genauigkeit der Taktung der Analog-Karte gibt es immer einen
Taktunterschied zwischen der ISDN- und der Analog-Karte. Dieser
Taktunterschied wird eine Zeit lang mit einem Puffer abgefedert, aber
nach einer gewissen Zeit (im Schnitt alle zwei Faxseiten) kommt es zu
einem Aussetzer, weil der Puffer leer ist und ein Stück Audio verloren
geht. Die Fehlerkorrektur der Faxe beruht auf analoger Technologie der
70er- und 80er-Jahre. Damals gab es dieses Problem noch nicht, und
deshalb können Faxgeräte heute mit diesen Aussetzern nur sehr schlecht
umgehen. Das Resultat ist meistens eine schwarze Linie oder sonst ein
Fehler auf dem Fax. Im besten Fall sieht man nichts, und im
schlimmsten Fall bricht die Übertragung ab.
Auch bei diesem Problem gibt es mehrere
Lösungsmöglichkeiten:
- Falls Sie auf Ihr analoges Faxgerät verzichten können, ist ein Softwarefax auf dem Server eine preisgünstige und sehr gute Alternative (siehe dazu die Beschreibung im Fax-Kapitel).
- An die gleiche ISDN-Karte angeschlossene a/b-Wandler (auch ISDN-Terminaladapter oder a/b-Adapter genannt) lösen das Problem meistens ebenfalls. Sollten Sie diese an eine andere ISDN-Karte im System anschließen, müssen Sie überprüfen, ob der Takt der beiden Karten intern synchronisiert wird.
- Die technisch einfachste Lösung hat auch hier wieder Sangoma aus Kanada. Bei Sangoma-Karten kann der Takt einer ISDN-Karte mit einem kleinen Kabel einfach auf eine Analog-Karte übertragen werden. Dann benutzt die Analog-Karte ebenfalls den Atomzeit-Takt aus dem ISDN-Festnetz.
10.2.3. Hersteller und Treiber
ISDN-Kartenhersteller gibt es wie den sprichwörtlichen Sand am
Meer. Die in diesem Buch beschriebenen Hersteller und Karten sind nur
eine sehr subjektive Auswahl. Aus diesem Dilemma gibt es keinen Ausweg.
Ansonsten müsste man ein extra Buch "ISDN-Karten-Übersicht für Asterisk"
herausbringen.
Wichtig
Die Angaben zur Hardware und den Treibern basieren auf dem
Zeitpunkt der Drucklegung des Buches. Bitte schauen Sie
sicherheitshalber hin und wieder auf die Webseite zum Buch.
Dort wird es Updates geben.
Als die für Asterisk verantwortliche Firma bietet Digium seit einigen Jahren auch
ISDN-Karten an. Angefangen hat Digium mit den auf dem amerikanischen
Markt sehr viel beliebteren Analog-Karten. Der Vorteil von
Digium-Karten liegt klar auf der Hand: Es gibt fast immer zeitgleich
auch aktualisierte Treiber. In der Vergangenheit waren diese Treiber
eher von durchschnittlicher Qualität, und es gab immer mal wieder
Probleme. Digium hat für die neue Treibergeneration (DAHDI) Besserung
versprochen.
Ein zentrales Problem von Digium besteht im Support für den
deutschen Raum. Dass Digium nicht mal eigene deutsche Sprachprompts
herausbringt, spricht da schon Bände. Es ist zu hoffen, dass der
Konkurrenzdruck von anderen Herstellern irgendwann so groß wird, das
Digium dies für den normalen deutschen User verbessert. Das Argument
"Mit dem Kauf einer Digium-Karte unterstützen Sie die Entwicklung von
Asterisk" kann nicht über mäßigen Support und suboptimale Treiber
hinwegtrösten.
Sangoma ist in
Nordamerika schon lange ein Geheimtipp in der Asterisk-Community.
Sangoma ist eine Firma, die schon seit 1984 auf dem Telefoniemarkt ist
und ausschließlich Hardware und entsprechende Treiber herstellt. Die
angebotenen Analog- und ISDN-Karten sind von einer ausgesprochen guten
Qualität, und der Support ist exzellent.[54] Sangoma macht sich um viele wichtige Kleinigkeiten
Gedanken und hat oft sehr gute Ideen. Speziell für den deutschen Markt
wurde z. B. mit der B700 eine kombinierte Analog- und ISDN-Karte
entwickelt.
Als Nachteil in der "reinen" Open-Source-Lehre kann man
allerdings die Verwendung eines Binary-only-ISDN-Stacks einer
französischen Firma sehen. Sangoma argumentiert dabei, dass dieser
komerzielle Stack für ISDN zertifiziert ist und entsprechend sauber
läuft, was für den Open-Source-mISDN-Stack nicht immer gilt.
No-Name-HFC-Karten
Die breite Masse an ISDN-Karten wird in Deutschland von den
No-Name-Herstellern verkauft. Die Karten werden für unter 100 Euro auf
den Markt gespült. Ein Support ist bei diesen Herstellern fast nie zu
bekommen (was bei dem Preis aber auch nicht möglich ist). Die Karten
werden fast immer mit mISDN in Betrieb genommen. Bitte lesen Sie in
Abschnitt 10.2, „Welche ISDN-Karte soll ich nehmen?“ mehr zu diesen Thema.
10.2.4. Installationsanleitungen für ISDN-Karten
Installationsanleitungen für Asterisk mit verschiedenen
ISDN-Karten und entsprechenden Treibern finden Sie in Anhang B, Spezielle Installationsanleitungen für Asterisk mit ISDN- oder
Analog-Karten.
[54] Sicherlich sollte man lieber eine Support-Anfrage in Englisch verfassen, aber im Zweifelsfall wird man auch auf eine deutsche Anfrage Hilfe bekommen.